„Gute Organisation und ein klein wenig Wagnis“ – Ein Praktikum bei Ghana Statistical Services

Von Jonas Elis

Seit zwei Wochen arbeite ich bei den Statistical Services in Accra, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates Ghana. Der Anlass ist die Durchführung meines Pflichtpraktikums im MA Survey Methodology an der Universität Duisburg-Essen. Auf diesem Wege Grüße ich hiermit alle KollegInnen und KommilitonInnen, von denen ich mich in der Hektik der Vorbereitungen nicht persönlich verabschieden konnte und berichte allen Interessierten in gegebener Kürze von den bisherigen Eindrücken.

Ich habe mich ursprünglich aus bloßer Reiselust für ein Praktikum im Ausland entschieden. Nach Ghana ging es letztlich aufgrund einer zufälligen Begegnung mit einem ghanaischen Studenten aus Essen sowie der Tatsache, dass Englisch hier Amtssprache ist. Alles Weitere war das Ergebnis einer freundlichen Genehmigung der zuständigen Lehrenden im MA Survey Methodology und hartnäckiger Planung. Schließlich ist ein Visum für Ghana – erst recht kurzfristig – nicht ganz einfach zu bekommen.

Der Praktikumsgeber, Ghana Statistical Services (GSS), führt derzeit eine Gebäude- und Wohnungszählung im gesamten Staatsgebiet durch, der im kommenden Jahr ein Zensus der Bevölkerung folgen wird. Meine derzeitige Aufgabe ist die Erfassung von GPS-Daten mit dem Programm ArcGIS, die täglich von Mitarbeitern der Behörde im gesamten Land zusammengetragen werden. So werden innerhalb der 216 ghanaischen Distrikte der Bevölkerungsgröße nach kleinräumige Enumeration Areas (EA) gebildet und mit Ausgangspunkten für die Feldarbeit des folgenden Zensus versehen. Mein Job in der „Map Creation Unit“ ist Teil einer „nationalen Aufgabe“, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Zensus vor den 2020 bevorstehenden Wahlen vollzogen sein muss. Die Arbeit mit dem für mich neuen Programm und die tiefen Einblicke in ein solches Großprojekt sind bislang sehr interessant und lehrreich. Spätestens im Mai geht es dann wohl in einen neuen Bereich bei GSS.

(Foto: Jonas Elis)

(Foto: Jonas Elis)

Wer sich für einen längerfristigen Aufenthalt in einer westafrikanischen Großstadt entscheidet, der muss zweifellos mit einigen Einschränkungen gegenüber dem mitteleuropäischen Lebensstandard rechnen. Das liegt tatsächlich in erster Linie am erdrückenden Straßenverkehr und der damit einhergehenden Luftverschmutzung. Mein täglicher Weg zur Arbeit aus dem nordwestlichen Stadtteil Lapaz zu den Ministerien ist ein etwa 1,5-stündiges Abenteuer in den Trotros (Sammelbussen), bei dem man immer wieder neues erlebt und aus unerfindlichen Gründen stets pünktlich zur Arbeit erscheint. Außerdem muss man sich irgendwie an die Hitze bei hoher Luftfeuchtigkeit und den allgegenwärtigen Staub gewöhnen. Den Alltag an einer deutschen „Pendleruni“ werde ich in Zukunft jedenfalls umso mehr zu schätzen wissen. Am zurückliegenden Osterwochenende blieb dann aber endlich Zeit für etwas Kultur, ein Fußballspiel im benachbarten Togo und die Entdeckung der sehr abwechslungsreichen Küche.

Hat man sich also erfolgreich eingelebt, dann verliebt man sich schnell in die Herzlichkeit und aufrichtige Gastfreundschaft der Ghanaer. In jeder Situation des täglichen Lebens kommt Besuchern des Landes freundliche Unterstützung zu und man muss sich bis auf sehr wenige Orte in Accra kaum Gedanken um die eigene Sicherheit machen. Das gilt allerdings nur eingeschränkt, wenn man am chaotischen Straßenverkehr Accras teilnimmt.

In dieser hauptsächlich vom Christentum, speziell der charismatischen Bewegung, geprägten Gesellschaft herrscht große Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten vor. Hingegen kommt die Ablehnung von Homosexualität, wie teils offensiv in Straßenpredigten und Alltagssituationen vorgetragen, häufig vor. Zugegeben überrascht mich das an dieser ansonsten unheimlich offenen Gesellschaft etwas. Politische und religiöse Themen werden nach meiner Auffassung jedoch insgesamt recht schonungslos, aber zugleich fair diskutiert.

Ghana ist aus meiner Sicht ein äußerst lohnendes Ziel für Urlaubsreisen, Praktika und Arbeitsaufenthalte. Das gilt sicherlich weitgehend auch für die umliegenden Staaten, man darf sich hier aber einer sehr guten Sicherheitslage erfreuen und ist derzeit nicht durch Reisewarnungen in einzelnen Landesteilen eingeschränkt. Störend sind jedoch die Visabestimmungen in und um Ghana, die Reisen in die Nachbarländer teuer und umständlich machen.

Es sind also gute Organisation und ein klein wenig Wagnis gefragt mit dem Lohn einer eindrucksvollen, etwas anderen Erfahrung.

(Foto: Jonas Elis)

(Foto: Jonas Elis)

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