Neue Ungleichheit beim Renteneintritt

von Prof. Dirk Hofäcker, Stefanie Köng und Moritz Heß

Am 1. Juli 2014 verabschiedete die Regierung das Gesetzt zur abschlagsfreien Rente mit 63. Diese ermöglicht es Arbeitnehmern, welche 45 Jahre Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben, ohne Abzüge mit 63 Jahren (ab 2015 steigt die Altersgrenze jedes Jahr um 2 Monate bis sie bei 65 ist) in Rente zu gehen. Einerseits bietet diese Regelung älteren Arbeitnehmern mit langer Erwerbslaufbahn die Möglichkeit, den Arbeitsmarkt früher zu verlassen, was als Beitrag zu einer gerechteren Gestaltung des Rentenübergangs angesehen werden kann.

Andererseits wird die Rente mit 63 vielfach als ein Schritt zurück in Richtung einer Politik der Frühverrentung gesehen, welche in Deutschland die Renten- und Arbeitsmarkpolitik bis Ende der 1990er Jahre bestimmte. Älteren Arbeitnehmern wurden in dieser Zeit finanzielle Anreize geboten, früh in den Ruhestand zu gehen um dadurch Einstiegsmöglichkeiten für jüngere Arbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Ab Mitte der 1990er Jahre verfestigte sich die Wahrnehmung, dass diese Politik der Frühverrentung die monetären Möglichkeiten der gesetzlichen Rentenversicherung überstieg. Verschiedene Reformen – unter anderem die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalter und die Schließung attraktiver Frühverrentungspfade – trugen ab der Jahrhundertwende zu einem schrittweisen Anstieg der Beschäftigungsrate ältere Arbeitnehmer bei, der gegenwärtig weiterhin anhält.

Abbildung 1: Beschäftigungsrate von Männern und Frauen (55-65 Jahre) in Deutschland

Hofäcker et al. 1Diese insgesamt positive Entwicklung der Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer geht jedoch offenbar einher mit der Zunahme von Ungleichheiten beim Übergang in die Rente (siehe Hofäcker & Naumann, 2014 für Deutschland bzw. Hofäcker et al, 2015 für Europa). Vor Einführung der jüngsten Renten- und Arbeitsmarktreformen nutzten vor allem niedrigqualifizierte Arbeiter mit geringem Einkommen die verschiedenen Frühverrentungsmöglichkeiten, die ihnen meist einen finanziell ausreichenden Ausgleich für den frühzeitigen Arbeitsmarktausstieg anboten. Heute hingegen verspürt diese Gruppe angesichts des Abbaus derartiger finanziell attraktiver Frühverrentungsmöglichkeiten und einer gleichzeitigen Erhöhung des „Standard-Ruhestandsalters“ verstärkt den finanziellen Druck, länger im Erwerbsleben zu verbleiben, um Ansprüche auf eine ausreichende Rente zu erwerben. Ihre durch finanzielle Notwendigkeiten meist „erzwungene“ Weiterarbeit steht dabei in Kontrast zu dem Ruhestandsverhalten hochqualifizierter Arbeitnehmer, die zwar ebenfalls eher später in den Ruhestand gehen, hierfür jedoch deutlich häufiger auf  eine hohe Arbeitszufriedenheit bzw. Identifikation mit ihrem Beruf verweisen (siehe Abbildung 2).

Das Projekt „Determinanten der Ruhestandsentscheidung in Europa und den USA: Ein internationaler Vergleich institutioneller, betrieblicher und individueller Faktoren “ untersucht die Veränderungen im Übergang in den Ruhestand aus einer international vergleichenden Perspektive. An dem Projekt beteiligt sind Wissenschaftler aus 11 europäischen Ländern, den USA und Japan. In allen 13 Ländern ist eine, wenn auch unterschiedlich starke, Entwicklung in Richtung späteren Renteneintritts zu beobachten. Mit neusten Daten des AdHoc Moduls „Transition from work into retirement“ der Europäischen Arbeitskräfteerhebung (European Labour Force Survey) wird überprüft, ob der Politikwechsel von der Frühverrentung zur längerem Erwerbstätigkeit in europäischen Ländern in gleichem Maße zu einer steigenden sozialen Ungleichheit beim Übergang in die Renten beiträgt. Erste Analyse verweisen hier auf große Unterschiede zwischen den Ländern, sowohl hinsichtlich des Alters beim Erwerbsausstieg als auch hinsichtlich der Gründe für Weiterarbeit und Ruhestand.

Abbildung 2: Hauptgrund für späteren Renteneintritt in Deutschland

 

Hofäcker et al. 2

 

Quellen:

 

Hofäcker, Dirk & Naumann, Elias (2014): The emerging trend of work beyond retirement age in Germany. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, AdvanceAccess

 

Hofäcker, Dirk; Heß, Moritz & Naumann, Elias (2015): Changing retirement transitions in times of paradigmatic political change: Towards growing inequalities? In: Torp, Cornelius: Challenges of Aging: Retirement, Pensions, and Intergenerational Justice. Palgrave Macmillan [In Press]

 

König, Stefanie & Heß, Moritz: Overview on Institutional, Workplace, and Individual Determinants of Retirement. In: Hofäcker, Dirk; Heß, Moritz & König, Stefanie: Delaying Retirement: Progress and Challenges of Active Ageing in Europe, the United States and Japan [Accepted by Palgrave Macmillan for publication as edited volume]

 

Bemerkungen:

 

Einen detaillierteren Überblick aus international vergleichender Perspektive liefert der Sammelband „Delaying Retirement: Progress and Challenges of Active Ageing in Europe, the United States and Japan” (zur Publikation angenommen bei Palgrave Macmillan)

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