Die Zusammensetzung der israelischen Knesset nach den Wahlen 2015

Von Regina Weber

Am 17. März 2015 fanden die Wahlen zur 20. Knesset, dem israelischen Parlament statt. Die bestehende Koalition des Premierminister Netanyahu hat im Dezember nach knapp zwei Jahren  das Parlament aufgelöst und Neuwahlen nötig gemacht. Das neue Parlament hat vielen neue Gesichter: 40 der 120 Knessetabgeordneten sind zum ersten Mal dabei. Aber in welchen Parteien finden sich die neuen Mitglieder? Konnten sie sich in den alten Parteien durchsetzen oder haben Fusionen, Neugründung und Aufsplitterungen zu den neuen Gesichtern geführt?  

 

Der Wahlkampf war teilweise hart und ist auch im Ausland wahrgenommen worden. Premierminister Netanyahu hat sich auch bei vielen proisraelischen Gruppen unbeliebt gemacht und dennoch erneut die Wahlen gewonnen. Im Vorfeld sah es jedoch ganz anders aus. Neue Bündnisse hatten sich gegründet, alte wurden aufgelöst: Mit der Fusion von Tzipi Livnis Partei «HaTnua» und der Arbeiterpartei «HaAvodah» zur Liste «Zionistische Lager»  (HaMahane HaZioni) haben die mitte-links Parteien ihre Kräfte versucht zu bündeln. Anders auf der anderen Seite: Die Partei Netanyahus, der «Likud» und die Partei des ehemaligen Außenministers Lieberman «Israel Beteinu» lösten ihre gemeinsame Liste auf und traten getrennt an. Gleichzeitig hat sich einiges an den Rändern bewegt: Die ultraorthodoxen Parteien haben sich teilweise aufgesplittert, zusätzlich hat sich hier eine Frauenpartei gegründet. Die drei arabischen Parteien sind zusammen mit der binationalen Kommunistischen Partei «Hadash» auf einer gemeinsamen Liste angetreten, um nicht gesammelt der erhöhten Sperrklausel von nun 3,25% zum Opfer zu fallen. Einige Bewegung war also auf Seiten des Angebots zu finden und so manche Kommentatoren hielten einen Sieg eines mitte-links Bündnisses nach den vergangenen Oppositionsjahren wieder für möglich. Daraus wurde nichts, Netanyahus «Likud» wurde wieder stärkste Partei und konnte Anfang Mai 2015 nach langwierigen Verhandlungen eine rechte Koalition zusammenzimmern, die mit 61 von 120 Sitzen denkbar knapp ist.

 

Von den 25 Listen, die zur Wahl antraten sind 10 Listen in der 20. Knesset vertreten, dies ist die geringste Zahl seit der Staatsgründung. Die Wahl hat zu einem großen Austausch an Abgeordneten geführt: Ein Drittel der Abgeordneten sitzt zum ersten Mal in der Knesset.

 

Die Abgeordneten sind zwischen 30 und 72 Jahre alt, das durchschnittliche Alter liegt bei 53 Jahren, die Hälfte der Abgeordneten ist jünger als 55 Jahre. 29 Abgeordnete sind weiblich, mit diesem Anteil von 24% liegt Israel international im oberen Mittelfeld. Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Parteien sehr stark hinsichtlich ihres Frauenanteils: In den ultraorthodoxen Parteien «Shas» und «United Torah Judaism» sind grundsätzlich keine Frauen unter den Abgeordneten. Der Frauenanteil der anderen Fraktionen liegt zwischen 13% (HaBayit HaYehudi) und 60% (Meretz). Der klassische Familienstand der Parlamentarier ist die Ehe. 82% sind verheiratet, weitere 6% verwitwet. Nur 7% geben an, Single zu sein. Hier gibt es kaum Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien. Alle Zusammenhänge sind hier nicht signifikant. Anders sieht es aus bei den Unterschieden nach Geschlecht: Frauen sind fast doppelt so häufig Single wie ihre Kollegen (allerdings verzerrt die relative Häufigkeitsverteilung aufgrund der jeweils einstelligen Fallzahlen den Eindruck).

 

Wie unterscheiden sich aber nun die neugewählten von den «alten» Abgeordneten?

 

Die Neumitglieder sind signifikant jünger als die Alten. Im Durchschnitt 50 Jahre alt sind sie und damit 4 Jahre jünger als diejenigen, die bereits mindestens einmal wiedergewählt wurden. Hinsichtlich des Alters gibt es keine signifikanten Geschlechterunterschiede, Männer und Frauen sind bei den Newcomern als auch bei den «Alten» gleichermaßen vertreten.

 

Aus welchen Parteien bzw. Wahllisten kommen die neuen Mitglieder? Dahinter steckt die Frage, ob neue Listen einen personellen Wechsel im Parlament begünstigen oder ob sich neue Parlamentarier/innen in den alten Listen durchsetzen konnten (Es gibt keine Wahlkreise, sondern nur eine einzige Wahlliste der Kandidaten im gesamten Land). Die absolut meisten Erstgewählten (11 von 30) sind auf der Liste des Likud in die Knesset eingezogen. Die Liste „Zionistisches Lager“ und die neugegründete Liste «Kulanu» stehen an zweiter Stelle gleichauf (9 von 24 bzw. 9 von 10). Bei den beiden größten Listen, beides Listen etablierter Parteien sind damit 1/3 der gewählten Abgeordneten zum ersten Mal dabei. Bei den beiden ultraorthodoxen Parteien «Shas» und «United Torah Judaism» sowie der linksliberalen Partei «Meretz» sind keine Parlamentarier zum ersten Mal dabei (Abb. 1). Damit kann man sagen, dass die beiden großen Parteien im rechten und linken Lager eine gewisse Durchlässigkeit für neue Abgeordnete haben, während gerade die kleineren Parteien tendenziell eher auf bereits etablierte Abgeordnete zurück greifen.

 

Abb. 1: Alte und neue Knessetmitglieder nach Listen.

Abb. 1: Alte und neue Knessetmitglieder nach Listen.

 

Nun sollen die neuen Listen mit den Listen verglichen werden, die bereits einmal angetreten sind. Neben der neuen Liste «Kulanu» gibt es zwei weitere Listen, die in der aktuellen Form zum ersten Mal antreten; die Liste «Zionistisches Lager» und «Joint Arab List» sind zu der Knessetwahl 2015 zum ersten Mal angetreten, allerdings als Zusammenschlüssen von länger bestehenden Parteien. In beiden Fällen haben sie mit dem neuen Zusammenschluss jedoch auch ein verändertes politisches Profil nach außen vertreten, dass die Gemeinsamkeiten der zuvor getrennten Listen betont. Insgesamt zeigt sich ein mittlerer positiver  Zusammenhang (Cramer’s V und Phi-Koeffizient = 0.318) zwischen der Anzahl an neugewählten Abgeordneten und der Zugehörigkeit zu einer dieser drei Listen. Man kann also davon ausgehen, dass diese drei neuen Listen es eher als die bestehenden geschafft haben, neue Parlamentarier auf aussichtsreiche Listenplätze zu setzen.

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die neuen Abgeordneten sich von den «alten» hinsichtlich der demographischen Zusammensetzung lediglich im Alter unterscheiden. Die neugewählten sind etwas jünger, jedoch mit durchschnittlich 50 Jahren nach wie vor nicht im eigentlichen Sinne als junge Menschen zu bezeichnen. Die Neugründung von Listen scheint jedoch einen positiven Effekt auf die Durchlässigkeit der Wahllisten für neue Abgeordnete zu haben. Damit scheinen neue Listen eine Möglichkeit zu sein, nicht nur andere Wählergruppen zu mobilisieren sondern auch andere Personen in die Legislative zu bringen.

 

 

 

Literatur

 

The 2015 Israeli Elections: Initial Analysis, Dr. Ofer Kenig, Israel Democracy Institute, online: http://en.idi.org.il/media/3987336/IDI-2015-Elections-Aftermath-21.pdf

Quelle für die Daten: Webseiten der Knesset, https://www.knesset.gov.il/mk/eng/mkindex_current_eng.asp?view=0

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