Alte gegen Junge? Alix Faßmanns “Anleitung zur Karriereverweigerung”

von Regina Weber

Eine junge Frau macht als Journalistin schnell Karriere, aus dem sicheren Job bei der Tageszeitung zieht sie es in ein neues Medien-Projekt in die Zentrale “einer großen Volkspartei”. Nach einem Jahr in der Parteizentrale gibt sie entnervt auf, fährt mit dem Wohnmobil durch Italien und schreibt ein Buch: “Arbeit ist nicht unser Leben – Anleitung zur Karriereverweigerung”. Im ersten Teil schreibt sie über die sinnlose Karriereorientierung junger Akademiker/innen ihrer Generation. Die merken vor lauter Fixierung auf ihren Job nicht, dass ihre Suche nach Glück, dass sie in der Arbeit suchen, nur der Disziplinierung für den Job dient. Am Ende kommt das Gegenteil von dem heraus, was die meisten vorgestellt haben: Massige Überstunden, Duckmäusertum und sinnloses Ausführen von Tätigkeiten, weil irgendwelche Vorgesetzten es so wollen. Hierzu zitiert die Autorin ihren ehemaligen Chef: “’Wenn mir hier einer sagt, ich soll die Wand grün streichen, dann streiche ich sie grün.’ Lutz, Redaktionsleiter der Abteilung” (18). So weit, so richtig. Dabei reißt sie vieles an, ohne etwas auszuführen und bleibt auf der Oberfläche, aber vielleicht ist das auch nötig bei einer Zielgruppe, die sich in dem Hamsterrad aus Selbstdisziplin, Karriereambitionen und der verzweifelten Suche nach Selbstverwirklichung befindet. Tiefergehende Analysen können da wohl erst der zweite Schritt sein.

In dem Buch geht es aber nicht nur um Arbeiten und Karriere. Die Autorin formuliert den Anspruch, für “ihre” Generation zu sprechen: “Arbeit ist nicht unser Leben – das ist der Titel dieses Buches. Er beschreibt, in welchem Spannungsfeld meine Generation sich bei ihrer Lebensgestaltung bewegt.” (229). Dementsprechend geht es im Buch weiter mit einer Abrechnung mit den “Alten”, die sich auf der Hängematte im Wohlfahrtsstaat ausruhen und von ihr und den anderen “Jungen” erwarten, entspannter die eigene Karriere anzugehen. Konflikte mit den Eltern sind da programmiert, die ihre Kinder nicht verstehen (wollen). Hierbei entwickelt sich die Argumentation von einer generellen Kritik an Arbeitsstrukturen unter kapitalistischen Vorzeichen zu einem angeblichen Generationenkonflikt, der darin kulminiert, dass die “Alten” den Kuchen unter sich aufteilen, zu Lasten der jungen Generation der Autorin: “Die Renten sind viel zu sicher” (148) und die “Alten” hatten es besser: “Das Leben der Baby-Boomer war bislang ein riesiges Profit-Geschäft. Als Studenten mussten sie keine Studiengebühren berappen, dennoch wurden die Universitäten ausgebaut. […] Heute sieht sich die junge Generation dem gewaltigsten staatlichen Schuldenberg aller Zeiten gegenüber. Das Vermögen der reichsten zehn Prozent im Land ist jedoch dreimal so groß wie diese Schulden. Die Antwort der Baby-Boomer auf diese Schieflage ist noch schiefer gewickelt und rührt aus demselben Geist, der ihnen Komfort und Unbekümmertheit verschafft hat: »Das erbt ihr doch mal alles!«” (155f).

Diese Lesart von “Generationenkonflikten”, die ein einfaches Bild von einer jungen “Verlierergeneration” gegen alternde Profiteure zeichnet, ist populär. Gleichzeitig ist sie völlig verkürzt. Zum einen blendet der Fokus auf Alter als Trennlinie die sozialen Trennlinien ökonomischer Konflikte aus. Die Rente scheint dann aus Sicht der “Jungen” für “die Alten” sicher zu sein. Gleichzeitig wissen wir, dass Altersarmut schon heute ein gesellschaftliches Problem ist. Auch für viele Alte ist die Rente eben nicht “sicher”, gleichzeitig wird es in der heutigen jungen Generation Leute geben, die sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen müssen.

Zum anderen wissen wir auch, dass die Einstellungen von Jungen und Alten zu den Leistungen des Wohlfahrtsstaats nicht einfach entlang von Generationen verlaufen. Die Vorstellung von egoistischen Nutzenmaximierern, die nur an den eigenen monetären Vorteil denken, lässt sich aus der Einstellungsforschung nicht bestätigen. Einstellungen zu sozialstaatlichen Leistungen und deren Finanzierung werden beeinflusst von dem direkten Kontakt zu Personen anderer Altersgruppen. Gerade die Kontakte zu anderen Generationen in Familien fördern die positive Einstellung zu Interessen anderer Generationen. Gleichzeitig haben Menschen unabhängig von ihrer Generationenzugehörigkeit das Gefühl von Ungerechtigkeit im Hinblick auf Veränderungen des Sozialstaats. Dies scheint vielmehr eine generationenübergreifende Reaktion auf den Abbau des Sozialstaates zu sein.

Die tatsächlichen Differenzen, ob zwischen Klassen oder Generationen, führen auch nicht notwendigerweise zu politischen Konflikten. Hier spielt das Mobilisierungspotenzial eine wichtige Rolle. Nur wenn sich die jeweiligen Gruppen organisieren und ihre Interessen politische Entscheidungen beeinflussen, ergeben sich tatsächliche Konflikte. Ob das entlang von Generationen funktioniert, ist umstritten. Auf jeden Fall ist eine Perspektive, die pauschal Alte gegen Junge stellt nicht geeignet, intergenerationale Solidarität herzustellen und tatsächliche prekäre Lebenslagen zu verbessern.

Verwendete Literatur

Faßmann, Alix, 2014, Arbeit ist nicht unser Leben. Anleitung zur Karriereverweigerung. Bastei Lübbe.

Goerres, Achim/Prinzen, Katrin, 2012: Can We Improve the Measurement of Attitudes Towards the Welfare State? A Constructive Critique of Survey Instruments with Evidence from Focus Groups, in: Social Indicators Research 109, 515–534.

Goerres, Achim/Prinzen, Katrin, 2014: Die Sicht der Bürger auf Sozialstaat und Generationenverhältnisse in einer alternden Gesellschaft. Eine Analyse von Gruppendiskussionen, in: Zeitschrift für Sozialreform 60, 83–107.

Kohli, Martin, 2009a: Altersgruppen und Generationen: Konfliktlinien und Integrationspotenziale., in: Journal für Generationengerechtigkeit 2, 75–80.

Kohli, Martin, 2009b: Ungleichheit, Konflikt und Integration – Anmerkungen zur Bedeutung des Generationenkonzepts in der Soziologie, in: Künemund, Harald/Szydlik, Marc (Hrsg.), Generationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 229–236.Prinzen, Katrin, 2014: Intergenerational ambivalence: new perspectives on intergenerational relationships in the German welfare state, in: Ageing & Society 34, 428–451.

Streeck, Wolfgang, 2007: Politik in einer alternden Gesellschaft. Vom Generationenvertrag zum Generationenkonflikt, in: Gruss, Peter (Hrsg.), Die Zukunft des Alterns. Die Antwort der Wissenschaft. 279–304.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Alte gegen Junge? Alix Faßmanns “Anleitung zur Karriereverweigerung”

  1. sabine achtziger sagt:

    Eigentlich gehöre ich schon zu den Alten aber leider nicht zu dieser Generation bin Single ohne Kinder und habe immer danach gestrebt mein Leben alleine zu meistern. 56 Jahre und jetzt fast arbeitslos …keine Freunde (keine Zeit da Job so wichtig) keine Familie (auch keine Zeit) und so die weiteren Klischees in denen meine ! ? Nicht meinè sondern die Generation der ich angehöre vefangen siñd. Nur diè in einer Beziehung fallen nicht ganz so tief. Man könnte jetzt alles verkaufen (vorausgesetzt es gehört einem)
    Mein letzter Gedanke war …..eine. Flug buchen aber kein Rückflugticket. Nur ich habe noch Eltern und ei e Miezekatze die kann ich doch nicht einfach aĺleine zurücklaßèn. Perspektive sehe ich für mich nach 38 Jahren Berufsleben keine mehr und wenn ich ehrlich bin sehe ich wie der Titel schon sagt
    ARBEIT MACHT ARM
    Keine sozialen Kontakte mehr und und …..?….
    Aber wo ist der Weg aus diesem Hamsterrad?…

  2. Heinz Mader sagt:

    Die Perspektivlosigkeit sowohl der jungen als auch der älteren Generation, die hier geschildert wird, macht traurig. Die heutigen Bildungsmöglichkeiten sollten es doch für große Teile der Bevölkerung ermöglichen, eine Qualifikation zu erreichen, die ein sinnerfülltes Arbeiten erlaubt. Das ist umso wichtiger, da auf Grund der demografischen Entwicklung der Renteneintritt weiter nach hinten rückt. Das muss nicht jeder gut finden, ist aber unausweichlich. Wegfliegen ohne Rückfahrticket oder Wegfahren mit dem Wohnmobil können nicht die Lösung sein, wenn nicht gleichzeitig der Verzicht auf Wohlstand mitakzeptiert wird.

    Natürlich kann nicht jeder, der den Beruf des Dachdeckers oder Altenpflegers erlernt, hat diesen noch mit Mitte 60 ausüben. Hier sind frühzeitige Umqualifizierung und altersgerechte, nach ergonomischen Gesichtspunkten gestaltete Arbeitsplätze notwendig. Der Fachkräftemangel wird früher oder später auf dem Arbeitsmarkt dafür sorgen, dass die Nachfrage nach Mitarbeitern mit langjähriger Berufserfahrung steigt:

    http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Aeltere-Menschen/zuhause-im-alter.html
    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/senioren-am-fliessband-autobauer-stellen-sich-auf-aeltere-mitarbeiter-ein/3549648.html
    http://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/nachrichtenportal/alle_nachrichten/nachricht.jsp?nid=367036
    http://www.continental-corporation.com/www/presseportal_com_de/themen/pressemitteilungen/1_topics/conticompact/pr_2011_01_26_arbeitsplatzampel_de.html
    http://www.moebelshop24.de/blog/allgemein/rente-mit-67-oder-spaeter-wie-arbeiten-im-alter.html
    http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/fortschrittsreport-februar-2012.pdf?__blob=publicationFile

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert